Bekenntnis zu vereintem Europa - Aus Erbfeinden wurden Freunde

Unter dem Thema „Was bedeutet Europa für die Stadt Wetzlar und den Lahn-Dill-Kreis“ diskutierten Bürger mit Schuster, dem ehemaligen Wetzlarer Oberbürgermeister Wolfram Dette, dem Partnerschaftsdezernenten Karl-Heinz Kräuter und dem Mainzer Journalisten Ingo Espenschied. Zu dem Treffen im Rahmen der jährlichen Europawoche hatten der Lahn-Dill-Kreis, die Stadt Wetzlar und die Europa-Union Lahn-Dill mit ihrem Vorsitzenden Sven Ringsdorf eingeladen, der die Diskussion leitete.

Wetzlar (lr). „Europa ist nicht nur ein finanzielles Projekt sondern auch ein Friedensprojekt“. Darauf hat Landrat Wolfgang Schuster (SPD) bei einem Vortrag mit Diskussion im Kreistagssitzungssaal in Wetzlar hingewiesen. Die Redner waren sich einig, dass sich die Bürger aktiv für den Erhalt und den Ausbau eines gemeinsamen Europas einsetzen müssen, um nicht eine Rückfall in Nationalstaatlichkeit zu erleben.

Schuster wies darauf hin, dass sein Großvater mit einer Kugel im Kopf aus dem Ersten Weltkrieg an der französischen Front zurückkehrte. Sein Vater wurde mit 18 Jahren im Zweiten Weltkrieg eingezogen und kam erst 1949 aus russischer Gefangenschaft nach Haus. Heute lebten nicht mehr viele, die Krieg, Flucht, Vertreibung und Hunger in den Weltkriegen miterlebt haben. Der Sozialdemokrat bedauerte den aktuellen Drang ins Nationalstaatliche. Demokratie sei nicht sicher, nicht für ewig verordnet. Sie müsse verteidigt werden.Das sind wir denen schuldig, die ihr Leben lassen mussten“, so der Landrat. Er wies auf den Austausch hin, den die Wilhelm-von-Oranien-Schule in Dillenburg mit dem Oberstufengymnasium LO Imienia Juliusza Slowackiego unterhält, die eingebettet ist in die Partnerschaft des Lahn-Dill-Kreises mit dem Landkreis Grodzisk in der Woiwodschaft Großpolen. Ferner erwähnte er die Partnerschaft zu der türkischen Region Osmangazi. „Wir müssen den Schülern erklären, dass es wichtig ist, sich gegenseitig durch Besucher kennenzulernen“. Schuster unterhalte seine Haltung mit Zahlen. Im Lahn-Dill-Kreis hängen 20.000 Arbeitsplätze vom Export ab, damit der Unterhalt von etwa 80.000 Menschen. „Wenn wir die Grenzen hochziehen, fehlt diesen Menschen die Ernährung. Es geht uns doch nicht besser, wenn wir uns abschotten“, plädierte der Landrat, der sich am 27. Mai zur Wiederwahlstellt.
An der Veranstaltung nahmen rund 60 Besucher teil, darunter Schüler der Eichendorff-Schule Dalheim und der Wilhelm-von-Oranien-Schule Dillenburg.
Wolfram Dette machte darauf aufmerksam, dass es für die heutige junge Generation selbstverständlich ist, Grenzen zu überqueren ohne Pass vorzuzeigen. Lediglich Schilder, Straßenverkehr und Sprache machten Unterschiede noch erkennbar. Dabei gab es noch vor 100 Jahren eine erbitterte deutsch-französische Erbfeindschaft. Das Grundgesetz und die Vereinbarungen mit den Franzosen wie die Montanunion seien wesentliche Entscheidungen gewesen, die als Friedensgrundlagen gelten. Auch heute müsse Europa zusammenhalten und seine eigene Position in der Welt finden.

Karlheinz Kräuter wies ebenfalls darauf hin, dass die Großeltern noch vor 100 Jahren Erbfeinde waren. Heute gebe es Freundschaft unter den Kindern von Deutschen und Franzosen. Er bedauerte, dass ich derzeit einige Länder wieder zu Nationalstaaten entwickelten. In einer komplizierter werdenden Welt komme man nicht ohne gemeinsames Europa aus.

Die Europa-Union hatte den Journalisten Ingo Espenschied eingeladen, der mit einem Multimedia-Vortrag die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen vom 19. Jahrhundert bis heute eindrücklich schilderte. Zur Veranschaulichung griff er auf zahlreiche Bild-, Ton- und Filmdokumente zurück, die er mithilfe einer professionellen Soundanlage und einer großen Leinwand vorstellte. So entstand eine multimediale Reise durch Europas Geschichte und Gegenwart, der sich die Besucher nicht entziehen konnten. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen standen sechs deutsche Soldaten, die 1916 in der Nähe von Verdun stationiert waren. In einem Fläschchen hinterließen sie einen Zettel an die Nachwelt, in dem sie von einem vereinten Europa träumten. Dort heißt es „Utopie und mögliches Eden ist ein geeintes Europa.“

Dass sich Länder weltweit abschotten, habe mit der Globalisierung zu tun. Das Zeitalter des Umbruchs mache vielen Angst. Deshalb ziehen sie sich zurück und schotten sich ab, damit ihre Welt wieder in Ordnung kommt. Doch das gelinge nicht. Die Bemühungen der Völkerverständigung habe Europa fast 70 Jahre Frieden gebracht. Vor 100 Jahren, als der Erste Weltkrieg zu Ende ging, war Europa noch eine Utopie. Das Projekt Europa habe auch den Deutschen einen unvergleichlichen Lebensstandard gebracht hat. Reisen, Leben, Arbeiten in ganz Europa ist möglich.
„Europa ist unsere Zukunft. Deshalb müssen wir dafür kämpfen“, so der Referent.


Fotos: Rühl