Bürgermeister Christian Seitz sprach mit Blick zurück auf das 20. Jahrhundert von einem „Jahrhundert der Weltkriege“ in Europa. Dieser 8. Mai 2015 war ein markantes Datum: Das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt für die BRD 70 Jahre zurück. Beide Weltkriege haben 75 Millionen Menschen zu Opfern werden lassen. Aus dem Schrecken darüber sei die die europäischen Völker einende Idee Mittelpunkt einer Politik geworden, die von den Römischen Verträgen 1957 bis heute zur Europäischen Union geführt habe.
Seitz: „Größtes Friedensprojekt“
Diese Idee darf als „größtes Friedensprojekt“ der jüngeren, europäischen Gesellschaft anerkannt werden. „Ehemalige Feinde haben Frieden untereinander und miteinander geschaffen“, brachte es der Bürgermeister auf den Punkt. Diese Entwicklung habe auch dazu geführt, dass die damals noch junge BRD in den Kreis der führenden europäischen Nationen aufgestiegen ist. Seitz machte darauf aufmerksam, dass diese Entwicklung auch von der Basis beeinflusst worden sei: Ausländerbeiräte und Städtepartnerschaften hätten der Politik Wege und Anstöße gewiesen, dieses Gemeinschaftswerk von Frieden und Freundschaft stets weiter zu betreiben.
Mann: „Nützliche Kompromisse“
Nach Seitz sprach der Europaabgeordnete und Vorsitzende der Main-Taunus Europa-Union, Thomas Mann, zu den etwa 80 Gästen sowie den Mitgliedern der Europa-Union über europäische Gemeinschaftswerke wie Städtepartnerschaften, Jugendprogramme und natürlich auch über europäischen Parlamentarismus und Europapolitik. Sie basiere nicht auf der Idee der „Zwangsharmonisierung“, sondern auf nützlichen Kompromissen, „die aber nicht um jeden Preis geschlossen werden“. Thomas Mann ging auch auf das derzeit aktuelle Flüchtlingsproblem ein, dessen Bewältigung noch weiter optimiert werden müsse. Ein eher sperriges Thema, wie die „Deutsche Betriebsrente“, die sich bewährt habe, solle wie weitere deutsche Besonderheiten unbedingt in der EU erhalten bleiben. An dem Punkt wurde offenbar, dass europäische Politik auch ein Ringen um spezifische Einzelheiten ist, die Experten im jeweiligen Land wie in der der Europäischen Kommission beschäftigen, der sogenannten „Europäischen Regierung“.
Jugend für Europa gewinnen
Mit „Jugend und Sport“ sprach der Europaabgeordnete ein Thema an, das die europäische Jugend in der gemeinsamen Idee stark verbinde und die Gesamtgesellschaft „befruchte“. Es schaffe „Erlebnisfähigkeit“ und „Gemeinsamkeit“ für die Jugend, die europäische Idee zu leben und zu erfahren. Werbung für die europäische Idee machen aber auch die Schulen und Universitäten. Mit verschiedenen Programmen wie „Comenius“ und „Erasmus“ gelinge es, junge Leute europäisch und international in Kontakt zu bringen.
Auch Mann ging auf die Städtepartnerschaften in Europa ein und nannte sie die „größte Bürgerinitiative der Welt“. Diese - über 2.200 Städtepartnerschaften gibt es in der BRD allein mit Frankreich (Angabe von Bodo Knopf, Kriftel) - tragen dazu bei, „die Erlebbarkeit des europäischen Gedankens zu erhalten“.
„Talk-Runden“: Austausch und Erfahrungen
In „Talk-Runden“ traten Jugendliche wie Erwachsene bei diesem lebendigen Europaabend in Kriftel auf und schilderten ihre Erfahrungen mit „Schule und Europa“ („Comenius-Projekt“) wie auch ein „Bi-Nationales-Projekt (Hofheim/Chinon) auf Austauschebene im Beruflichen. Gerade dieses Projekt um praktische Kfz-Ausbildung verdeutlichte auch die praktische Seite der Europa-Idee und Städtepartnerschaft. Sie ist der berufsbildenden Brühlwiesenschule im MTK, in Hofheim, zu verdanken, die an diesem Abend von Schülern sowie der Lehrkraft Elisabeth Artner-Pfeil repräsentiert wurde.
Auf Krifteler Seite stützten neben Bürgermeister Seitz auch Bodo Knopf als Vorsitzender der Gemeindevertretung, Joachim von Kiel, stellvertretender Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Kriftel, Joelle Wielpütz, Partnerschaftsverein, Joanna Bernsen, Partnerschaftsverein, und Carmen Jimenez, Vorsitzende des Ausländerbeirats Kriftel, die Veranstaltung durch ihre Teilnahme an der lebendigen „Talk-Runde“ zum Thema „Städtepartnerschaft – gelebte europäische Freundschaft in Kriftel“. Sie verbanden mit ihrem Auftritt auch die persönliche Entscheidung, in der BRD zu leben und in ihr über Beruf und Familie hinaus aktiv in der Gesellschaft zu wirken. Das Kommunale Wahlrecht wie die Wahlen zum Ausländerbeirat geben dazu Gelegenheit. Bodo Knopf erinnerte an die deutsche wie europäische Entwicklung von 1945 bis heute, in der „Hass und Zorn“ überwunden wurden. Für Knopf sind die Städtepartnerschaften auch ein Anliegen, die Jugend für die Europaidee zu gewinnen.
Die Jugend tickt anders
In diesem Punkt wurde deutlich, dass die jungen Leute den Partnerschaftsgedanken traditioneller Art eher gegen ihre persönliche Gestaltung von internationaler Freundschaft tauschen. In diesem Aspekt mischen sich auch Beruf, Ausbildung und Studium. Diese Entwicklung wurde in der jungen „Talk-Runde“ mit Thomas Mann deutlich, in die sich auch die „persönlichen Perspektiven“ mischten. Es wurde aber anerkannt, dass erst die „Tradition“ der Partnerschaften die „Comenius-Wege“ („Comenius-Projekt Youropa“ = Youth of Europa) nach Barcelona, Verona oder Amsterdam ebneten. Auch die Jugendarbeitslosigkeit in einigen europäischen Ländern wurde angesprochen, und dass man in Europa Wege gehe, wie etwa in der BRD, durch Ausbildung hier die Arbeitslosigkeit dort zu mildern.
Kulturell wurde dieser aktive und attraktive Europaabend von Joanna Bernsen, Flügel, gemeinsam mit ihrer Tochter Natali Bernsen (Gesang), Olesja Burghof (Gesang) sowie der Tanzgruppe „Folkloristico Italiano di Hofheim“ belebt und gestaltet. Da Europa auch „Appetit“ machen soll, waren die Besucher anschließend zu Geselligkeit und Imbiss eingeladen.