(Bericht von MANFRED BECHT, Höchster Kreisblatt, Frankfurter Neue Presse)
Die Europa-Union hat schon bessere Zeiten erlebt, denn die europäische Idee ist nicht mehr unumstritten. Das zeigt der Zuspruch, den populistische, antieuropäische Parteien zur Zeit haben. Der Nutzen europäischer Zusammenarbeit ist zwar unbestreitbar, liegt nicht auf der Hand für Wähler, die sich nicht tiefer mit Politik befassen wollen. Die Europäische Union ist praktisch als Institution schwer fassbar und taugt daher als Sündenbock für alle Probleme, die nicht einfach zu erklären sind. Da sieht sich die Europa-Union als „Bürgerbewegung“, die „Europa zu einem Bundesstaat einigen“ möchte, schon mit grundsätzlicher Ablehnung konfrontiert.
Da ist Thomas Mann, Mitglied des Europaparlaments und Kreisvorsitzender der Europa-Union, schon gerne in den Schulen unterwegs. „Wir haben eigentlich nur positive Reaktionen“, erklärt er am Rande eines Projekttages seiner Organisation in der Hofheimer Main-Taunus-Schule. Natürlich kann man argumentieren, dass an einer solchen Veranstaltung nur Schüler teilnehmen, die Europa positiv gegenüber stehen, und dass die anderen sich mutmaßlich nicht äußern. Aber selbst wenn dem so sein sollte, dann wäre immer noch festzustellen, dass die Europabefürworter unter den Jugendlichen den Ton angeben, andere Positionen dort nicht salonfähig geworden sind. Das wäre für die Europa-Union jedenfalls ein positiver Befund.
In drei Arbeitsgruppen wollten sich die Schüler dem Thema nähern, Thomas Mann hatte die Themen vorgeschlagen und mit der Schule abgestimmt. Bemerkenswert ist, dass alle drei Themen, wenngleich sie völlig unterschiedlich waren, etwa gleich stark gefragt waren. Was Europa eigentlich nützt, das war der Workshop für die Schüler, denen es um das Grundsätzliche geht. Politischer Populismus, das ist das aktuelle Thema. Wer sich für das Thema Ausbildung und Arbeitslosigkeit interessiert, der hat womöglich die eigene Zukunft am deutlichsten im Auge. Europäische Aspekte gibt es immer.
Bei der Frage nach dem Nutzen der Europäischen Union sollte es auch um die Sicherheit gehen, den Schülern waren dazu die Terroranschläge eingefallen. Die EU verfolgt eine vierteilige Strategie, bestehend aus Prävention, Schutz vor Anschlägen, der Verfolgung der Täter und einer solidarischen Reaktion auf Anschläge. „Es gibt gute Lösungsansätze, an denen aber noch gearbeitet werden kann“, sehen die Schüler ein richtiges Konzept mit Optimierungsmöglichkeiten.
Die europäische Dimension des Populismus ist, dass er in vielen europäischen Ländern vorkommt. Das Urteil der Schüler ist verheerend: „Populisten sind Menschen, die keine Lösungsansätze liefern.“ Unterschätzen dürfe man sie nicht, hieß es. Unabhängige Gerichte, freie Presse, die Zulassung politischer Opposition, das sind die Gegenmittel. Dass dies Standards in der Europäischen Union sind, hätte man noch dazu sagen können. Und ebenso, dass es auch in der EU relativ starke populistische Bewegungen gibt.
Überhaupt wäre es sicher dienlich gewesen, gerade auch im dritten Teil den europäischen Aspekt noch mehr zu betonen. Dass dies nicht passierte, hängt sicher damit zusammen, dass Studiensemester oder Ausbildungsabschnitte im Ausland ebenso wie Aufenthalte dort bereits während der Schulzeit von den Schülern heute als Selbstverständlichkeiten wahrgenommen werden. Immerhin gab es den Hinweis auf die inzwischen vereinheitlichten Studienabschlüsse und Anerkennungsregelungen. Und dass ein Studium gegenüber einer Ausbildung nicht automatisch zu einer besser bezahlten Berufstätigkeit führen muss, ist sicher eine Wahrheit, die an den Schulen angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels gar nicht oft genug ausgesprochen werden kann.